- Wie Verborgenes sichtbar wird -
Die andere Sicht der Realität -
Im Winter ruht die Natur, und die Nächte sind besonders lang. Auch die Nacht steht im Gegensatz zum Tag für Ruhe und Passivität. Das, was wir als unser Leben wahrnehmen, empfinden wir normalerweise nur in dem, was wir aktiv erleben und mit unseren Sinnesorganen aufnehmen. Unser Schlaf und unsere Träume entführen uns in eine Welt, die uns nicht real erscheint und mit dem, was wir als unser Leben empfinden, wenig zu tun hat.
Die Nacht entführt uns in eine andere Welt, die wir als nicht real empfinden.
Ganz offensichtlich scheint es so, dass wir bei Tag mehr sehen können als in der Nacht. Aber erst in der Dunkelheit der Nacht zeigt sich, dass es noch etwas gibt, das wir bei Tag nicht sehen. Das Licht der Sterne gibt eine leise Ahnung von Größe des Weltalls, das viel weiter ist als das, was am Tag für uns sichtbar ist und unsere Wirklichkeit darstellt. Wir empfinden unsere "normale" sichtbare, hörbare, anfassbare Welt als unsere Realität, weil wir in ihr zu leben gewohnt sind und sich unsere Aufmerksamkeit darauf richtet. Sie ist dagegen so viel kleiner und begrenzter als jene, die bei Nacht sichtbar wird. Dennoch ist unsere Realität davon abhängig, was im Kosmos geschieht. Dass wir ohne Sonne nicht leben könnten, ist nur ein Aspekt davon.
Die Dunkelheit der Nacht lässt erkennen, was am Tag unsichtbar bleibt.
Ähnlich ist es mit unserem Denken. Wir haben meistens Vorstellungen von dem, was wir als Richtig oder Falsch empfinden. Sie sind in uns verborgen, und gerade unsere Ängste und Sorgen scheinen uns oft willkürlich zu steuern. Da wo sie Befürchtungen entstehen lassen und wo mit unseren Vorstellungen Erwartungen verbunden sind, setzen diese Grenzen, die nicht zulassen wahrzunehmen, dass es noch etwas anderes außerhalb dieser Grenzen gibt. Erwartungen setzen Bekanntes voraus und verschließen für bislang unbekannte Möglichkeiten. Wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass es noch etwas anderes geben kann, kann Neues durch die inneren Grenzen kaum durchdringen.
Vorstellungen, Erwartungen, vorgefertigte Meinungen schränken unser Denken ein.
In der Hektik und Geschäftigkeit des Alltags begegnet uns meistens das, was wir kennen und als gewohnte Realität empfinden - die sichtbare äußere Welt und ihre Gesetzmäßigkeiten. Das bestärkt noch die gewohnte Sicht der Dinge und verhindert, mehr als diese wahrzunehmen. Es lenkt davon ab, sich selbst unabhängig davon wahrzunehmen. Erst in Ruhe und ohne solche Ablenkung ganz bei sich zu sein, bietet die Möglichkeit das zu erkennen, wovon ich im Alltag entfernt werde.
Viel Aktivität lenkt vom Wesentlichen ab - von sich selbst
Die Ruhe und die Dunkelheit der Nacht zeigen, dass es mehr gibt, als es so offensichtlich scheint. Sie macht sichtbar, was sonst verborgen bleibt. Diese andere “Sicht”-weise bietet ungeahnte Möglichkeiten über sich hinauszuwachsen, die man durch die Grenzen der “Normalität” und der Vorstellungen, die man von der Realität hat, nur schwer wahrnimmt.
Über den eigenen Horizont hinausblicken kann ich erst, wenn die Grenzen dessen, was ich bisher sah, nicht mehr als feststehend voraussetze.
Die Natur macht es uns vor, welche Chance die lange Zeit der Dunkelheit, Ruhe und Abgeschiedenheit im Winter bietet. Sie reift unsichtbar im Stillen und Verborgenen, um wachsen, Grenzen überwinden und sichtbar werden zu können. Auch das eigene Wachstum entsteht verborgen im eigenen Inneren, wenn es die Möglichkeit hat, sich ohne die Einschränkung durch vorausgesetzte Grenzen zu entwickeln. Passend zum Thema: Das Potenzial dunkler Stunden